Hallo, auf re-flexion.de gibt es seit heute ein Intervierw mit Marian Gold. Hab mir dass mal durchgelesen und fand es sehr interessant.
Alphaville waren in den letzten Wochen im Jahren ihrer 20th Anniversary Tour quer durch Deutschland unterwegs. Wir haben uns am 01.11.2004 mit Marian im Backstage Beriech des Capitols in Hannover getroffen, um mit ihm über mehr als 20 Jahre Alphaville ein nicht nur retrospektives Interview zu führen...
re-flexion: Derzeit seit ihr im Jahren der \"20th Anniversary Of Alphaville Tour\" unterwegs - wodurch unterscheidet sich diese von früheren Alphaville Tourneen?
Marian: Hautsächlich unterscheidet sie sich von anderen Tourneen dadurch, dass wir gerade auf der jetzigen viele Stücke spielen, die noch gar nicht veröffentlicht und somit für eigentlich alle noch unbekannt sind.
Wir haben es in den letzten Monaten und Jahren ja mit den neuen Songs derart gemacht, dass wir diese abschnittsweise über das Internet zum Download für die Fans freigegeben haben - und dieses Mal wollen wir unseren Fans die neuen Songs halt zum ersten Mal live präsentieren, sie ihnen quasi vorstellen.
Ansonsten geben wir mit dieser Tour natürlich auch einen Querschnitt durch die letzten 20 Jahre Alphaville und spielen von jedem Album mindestens ein Stück live - von allen bis auf einen Song von der \"The Breathtaking Blue\" CD.
re-flexion: Im Laufe der Jahre bist nur noch du von der ursprünglichen Gründungsformation Alphavilles übrig geblieben...
Marian: (grinst)...einer muss ja über bleiben...
re-flexion: ...wie hast du das Aussteigen der einzelnen anderen Bandmitglieder erlebt und verarbeitet?
Marian: Ich verarbeite in dem Punkt nicht besonders viel. Es ist einfach so, dass wir uns in den Momenten der Trennung nicht gestritten haben und es daher nicht wirkich etwas aufzuarbeiten gibt.
Ich will da auch nichts beschönigen oder unter den Teppich kehren; wir haben natürlich auch eine Menge Stress miteinander gehabt, das jedoch immer in Zeiten, in denen es um kreative Auseinandersetzungen ging - sprich meistens dann, wenn wir neue Alben gemacht haben.
Die Ausstiege der einzelnen Personen sind immer dann gekommen, wenn bei oder mit Alphaville nicht passierte und sich dafür aber im Leben der Leute etwas ereignet hat, dass diese Art der Veränderung dann zur Folge haben sollte.
Ich habe dass auch daher als nicht so tragisch angesehen, da ich seit jeher gewohnt bin in und mit verschiedenen Konstellationen zu arbeiten. Das war schon vor Alphaville so und das ist auch jetzt noch so. Das Feld weitet sich immer mehr aus. In den letzten Jahren war es die Zusammenarbeit mit Klaus Schulze und jetzt habe ich mich zu einer Zusammenarbeit mit Hermann Schneider, den Intendanten des Würzburger Theaters, überreden lassen.
Ich da dann Musik für ein Musikal schreiben und an der ganzen Rahmenhandlung mit schreiben. Es geht bei dem Stück um Alice im Wunderland und das ist eine Sache, die mich thematisch schon immer interessiert hat.
Eigentlich habe ich es immer abgelehnt, mich in irgendwelche Auftragsarbeiten zu stürzen, da mir das immer zu viel Verantwortung gewesen ist, aber dieses Angebot war einfach zu verlockend. Mit den Arbeiten an diesem Projekt werde ich dann nach unserem Konzert in Stockholm in Schweden anfangen, denn dort habe ich ein kleines Häuschen, in das ich mich zurückziehen kann.
re-flexion: Mit dem \"Prostitute\" Album waren die Zeiten des kommerziellen Erfolgs von Alphaville vorbei - lag das mit daran, dass gerade dieses Album so anders war, als das Alphaville Material zuvor?
Marian: Eigentlich war schon \"The Breathtaking Blue\" komplett anders. Aber wenn man diese Sache einmal näher beleuchtet, so gibt es eigentlich kein Album, dass den Faden eines Vorgängers aufgenommen hätte.
Wir haben uns bei jedem Album immer wieder neu orientiert, weil wir auch immer wieder auf völlig neue Trips kamen.
Mich nervt es eigentlich auch etwas, dass man in Bezug auf unsere Musik immer den unmittelbaren Vergleich mit dem kommerziellen Erfolg dieser anstellt. Man sollte die Musik einer Band doch immer nach ihrer Qualität und nicht nach ihrem kommerziellen Erfolg bemessen.
Aber es ist natürlich richtig, dass es für Alphaville ein gewisses Stigma bedeutete, weil wir am Anfang gleich mit unseren ersten Platten so ungeheuer erfolgreich waren. Dabei traten die Qualitäten der Songs jedoch etwas in den Hintergrund.
Es gab für keinen die Möglichkeit, sich mit der Band anzufreunden oder uns als eine Art Geheimtipp mit sich rumzuschleppen.
Wir waren damals gleich Everybody´s Darling - und daher wohl auch nicht so fürchterlich beliebt bei den Journalisten.
Das war bezogen auf die Medien vielleicht nicht die glücklichste Ausgangsposition für uns.
Auf der anderen Seite ist es jedoch so, dass wir uns trotz dieses Erfolges über Nacht künstlerisch stets weiter entwickelt haben.
Ich fand und finde an Alphaville schon immer gut - und darum bin ich auch noch in diesem Projekt - dass wir uns nie haben von außen beeinflussen lassen, durch wen auch immer.
re-flexion: Habt ihr euch dann nach dem kommerziellen Erfolg der ersten Single bei der weiteren Albumproduktion von eben diesem Aspekt leiten lassen?
Marian: Nein, gerade das nicht! Das erste Album entstand abseits jeglicher kommerzieller Erwägungen. Wir waren Amateure und uns hat das nicht nur wirklich irritiert, sondern auch in gewisser Weise verwirrt.
Es gibt da diverse Dinge im künstlerischen Bereich, die viel spannender sind - das sind Dinge, die Spaß machen. Und deshalb bin ich auch jetzt mit 50 noch in diesem Buisness, weil es für mich ein eben solches nicht ist. Betrachtete ich das alles noch als Geschäft, dann wäre ich wirklich schon lange nicht mehr dabei.
\"Forever Young\" war ein Konzeptalbum, wie es auch alle anderen Alphaville Alben waren. Bei diesem ersten Album wollten wir eine Art Best Of CD einer Band, die es bereits seit zig Jahren gibt, simulieren. Und obwohl wir unsere Ansprüche damit richtig hoch gesetzt haben, ging gerade dieses irrsinnige Konzept genau auf.
re-flexion: Würdest du dich heute noch immer als Fan von Musik bezeichnen?
Marian: Klar - auf jeden Fall. Es gibt unheimlich viele Künstler, die ich sehr verehre und von denen ich mir auch persönlich ein Autogramm holen würde.
re-flexion: Wer wäre denn da in der engeren Auswahl?
Marian: David Bowie zum Beispiel. Das sind natürlich alles Leute, die mich damals in meiner Jugend sehr bewegt haben und von denen ich halt keine Autogramme habe. Ich habe eines von Brian Ferry und eines von Steve Harley. Und ich höre mir auch heute immer wieder die alten Sachen an und wenn ich eine Platte mit Autogramm auf der Hülle in Händen halte, dann freue ich mich noch immer darüber wie früher.
re-flexion: Ist die Hektik der Gegenwart wohl der größte Feind des Künstlers?
Marian: Nein, ein wahrer Künstler ist viel hektischer als die Gegenwart. Einen Künstler interessiert die Gegenwart nur als Ideengeber oder Katalysator.
re-flexion: Vor drei Jahren erschien mit \"Forever Pop\" ein Remix-Best-Of-Album - inwieweit warst du in dieses Projekt involviert?
Marian: Ich war eigentlich überhaupt nicht in das Projekt involviert. Das lief hauptsächlich über Bernd (Bernhard Lloyd - Anmerkung re-flexion). Es war auch von Anfang an seine Idee, eine solche Veröffentlichung zu realisieren. Mich hat das nicht mehr interessiert als es bei der Zusammenstellung einer normalen Best-Of der Fall gewesen wäre.
Als ich dann aber diverse Mixe von einigen Leuten gehört hatte, zum Beispiel \"Summer In Berlin\" von Christian Flebs oder auch \"A Victory Of Love\" von José Alvarez-Brill, fand ich die Sachen richtig genial. Das galt eigentlich für die meisten Versionen, einmal abgesehen von dieser bescheidenen Remix Version von \"Big In Japan\" von Eiffel 65.
Mit der eigentlichen Veröffentlichung habe ich mich selbst jedoch nie identifizieren können.
re-flexion: Lag dir nach dieser Veröffentlichung und dem Charterfolg der CD nicht der Gedanke nahe, die Gunst der Stunde zu nutzen und ein komplett neues Alphaville Album hinterher zu legen?
Marian: Wie ich vorhin schon sagte, kommerzieller Erfolg hat mich nie interessiert. Und da ich mich mit \"Forever Pop\" nicht identifizieren konnte, gab es keinen Anreiz, da kurzfristig irgendetwas nach zu legen.
Und nach \"Forever Pop\" stieg Bernd dann ja auch aus. Er wollte zu seinem Abschluß halt gerne noch einmal unsere alten Songs im neuen Gewand veröffentlicht wissen - und als wir genau darüber im Vorfeld sprachen, wir mir klar, dass er danach aussteigen würde.
re-flexion: Ende der 90er Jahre habt ihr mit der ersten \"Dreamscapes\" Box etwas einmaliges und zugleich außergewöhnlich Anderes in einer recht geringen Auflage realisiert - wie kam \"Dreamscapes\" zustande?
Marian: \"Dreamscapes\" war das Gegenprojekt zu \"Forever Pop\". Letzteres hatte Bernhard ja gemacht und diese Box war in der Zeit halt mein Projekt.
Das war die Zeit, als es mit dem Internet auch immer mehr und schneller zunahm und ich durch viele Fans auch deren Wünsche mit bekam.
Daher dachte ich halt auch darüber nach, eine Art Resümee zu ziehen - genauso wie Bernd sich das mit der \"Forever Pop\" Scheibe dachte.
Es ging mir darum, den Fans zu zeigen, dass es viel mehr von Alphaville gibt, als das durch irgendwelche bisherigen Veröffentlichungen überhaupt demonstriert werden konnte.
Und dieses andere unbekannte Material wollte ich den Fans einfach näher bringen und ihnen auch die Entwicklungen, die die Songs von der Demoversion bis hin zur entgültigen nehmen können, aufzeigen.
Und aus diesen Gedanken ist auch die \"Crazyshow\" entstanden. Dabei hatte ich dann noch andere Quergedanken, die sehr komplex gestaltet waren.
Und es war von Anfang an klar, dass das lediglich Material für die Fans sein würde und damit meine Absicht komplett realisiert werden konnte.
re-flexion: Wann und warum entstand der Gedanke, auch den vier \"Crazyshow\" CDs den Untertitel \"Dreamscapes\" zu geben?
Marian: Der eigentliche Grundgedanke der \"Crazyshow\" war der, Stücke zu produzieren und diese dann online zu publizieren. Wir haben also damit angefangen und Demo-Versionen ohne zusätzliche beeinflussende Infos zum kostenlosen Download online gestellt.
Somit konnten die Alphaville Fans die Produktion eines Albums über das Internet mitverfolgen. Es gab seinerzeit mit den Einstüzenden Neubauten nur noch eine andere Band, die genau das Gleiche wie wir gemacht hat, nämlich ihre Songs online gestellt.
Der gravierende Unterschied war jedoch, dass die Downloads bei uns komplett kostenlos waren - bei den Neubauten war das anders...
Nur noch einmal zur Klarstellung: es ging uns nicht darum, Songs zum freien Download ins Netz zu stellen, sondern die Fans sollten an der Produktion teil haben und auch einen Einblick bekommen, welchen teilweisen Irrungen und Wirrungen diese unterliegt und wie sie letztlich dann doch vorangetrieben wird.
re-flexion: Viele Bands entdecken derzeit sehr intensiv das Medium der DVD für sich - wann entdeckt ihr das für euch?
Marian: in dieser Hinsicht wird es auch bald etwas Offizielles von Alphaville geben. Wir sind diesbezüglich derzeit mit einigen Plattenfirmen im Gespräch.
Es gibt bei uns ja nun doch schon sehr viel Material, das alles so ab Anfang der 90er Jahre entstanden und sehr interessant und spannend ist.
Die ganzen Fersehauftritte aus den 80ern gibt es natürlich auch noch. Die ganzen Videos nicht zu vergessen.
Von man von denen eine DVD Compilation machte, wäre das sicherlich mit den größten Einnahmen verbunden. Bei diesen Video-Dingen müsste man nur mit Warner Bros. sprechen und die machten das dann, ohne dass ich mich da großartig einbringen müsste.
Aber es gibt zum Beispiel einen absolut genialen Mitschnitt eines Konzertes aus Beirut, welches wir 1993/1994 gegeben haben - und als ich mir das vor kurzer Zeit noch einmal angesehen habe, hat es mich fest weg geblasen - das war einfach grandios! Solche visuellen Sachen liegen mir als DVD Veröffentlichung eigentlich mehr am Herzen.
re-flexion: Was darf man 2005 von Alphaville erwarten?
Marian: Ein neues Album - einige Songs, die es darauf schaffen könnten, hast du ja heute Abend bereits gehört.
re-flexion: Danke für das Interview.
Marian: Gern geschehen!