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Eiscreme-Mädchen

Dreamscapes Story

Die Welt sah wieder besser aus. Er hatte den Zahnarzttermin überlebt und ein weiterer war nicht in Sicht. Es war ein heißer Spätsommer-Nachmittag in Berlin. Marian balanzierte auf dem Bordstein des Fußwegs, pfeifend und die Hände in seinen Taschen, nachdenkend was er mit dem Rest des Tages anfangen sollte. Dab-dab-dabba-da-dab... die Eisverkäuferin im Park wiedersehen? Eine Verabredung für nächste Nacht mit ihr ausmachen, anstatt wieder nur Eis zu kaufen? Der Park war nur zwei Blöcke entfernt. Ein Katzensprung. Aber er hob sich die Idee für später auf. Statt dessen ging er in die schmale Seitenstraße, die zu seiner Wohnung führt. Arbeitet Michael immer noch an ihrem Stück (ihrem ersten Stück)? Dab-dab-dabba-da-dab... die Melodie war in seinem Kopf. Es muß am Anfang des Songs stehen. Wie war nochmal der Refrain... Big in Japan- da-dam... es war Michaels Idee Musik zu machen statt zu malen. Marian stellte sich vor, wie sie ihren Song vor tausenden von Leuten spielten und das Eiscreme-Mädchen würde genau vor der Bühne stehen und ihn bejubeln. Er beschleunigte seinen Schritt. Es ist eine Schande, daß sie erst vor einem Monat entschieden haben, Popstars zu werden. Es war eine sehr gute Idee, aber das Spielen war immer noch schwierig. Kein Problem, meinte Michael, wir benutzen nur Maschinen, Computer, wie du weißt. Leider ein teures Unternehmen, wenn man blutige 18 Jahre alt, arbeitslos und begierig unverzüglich anzufangen, ist.

Marian hatte seinen 'runtergekommenen VW verkauft, Michael seine Platten (er war DJ und hatte ein paar hundert Platten seit dieser Zeit). Aber wen kümmerts, Eiscreme-Mädchen werden nicht ewig warten. Dab-dab-dabba-da-dab... Marian kam zu Hause an. Die Wohnung war im Erdgeschoß des hinteren Gebäudes, ziemlich düster aber schön und kühl im Sommer. Ein Tourposter von 'Tubeway Army' hing im Dämmerlicht des Wohnzimmers. Darunter glimmten die Lichter des neu angekommenen Synthesizers. Michael saß auf der schäbigen Couch, einen Joint rauchend. Etwas stimmte nicht. "Was ist los?" "Das Ding ist im Eimer!" "....?" "Es funktioniert nicht mehr..." "Ich hab eine neue Idee für das Stück." "Vergiß es..." " Warum?" "Ich sagte es doch, das Ding ist im Eimer. Ich kriege keinen einzigen verdammten Ton mehr aus ihm 'raus" "Erzähl mir was neues." Stille... "O.K., hör zu... Dab-dab-dabba-da-dab..." Marian sang den Refrain. "Was meinst du mit 'Big in Japan'?" "Du weißt doch, der Name der Band, paßt irgendwie, meinst du nicht?" "Du müßtest die Lyrics in Englisch schreiben." "Sicher..." "Ist nicht gerade trendy" Stille...

Draußen zwitscherte ein Vogel. Jemand ging über den Innehof. Eine Polizeisirene erklang in der Ferne. Michael stand auf und verschwand in der Küche. Marian setzte sich auf's Sofa und wartete. "Willst du was" fragte Michael. Marian antwortete nicht. Der Vogel hörte auf zu singen. Etwas fiel auf den Küchenboden mit einem Geräusch. Fünf Minuten später kam Michael mit einem vernebelten Blick zurück und starrte, am offenen Fenster stehend, auf die nackten Mauern, die den Hof einschlossen.

"Es war eine lächerliche Idee" sagte er. "Wieviel haben wir noch?" "Für ein paar Tage..." "Was schlägst du vor?" "Das Ding wieder verkaufen." "Wieviel?" "Ich sprach mit Ralph. Er würde uns 3000 geben." Marian war still. "Es ist ne Menge Geld. Würde für eine Woche reichen" sagte Michael zu der Mauer. "Scheiße, das Ding hat über 7000 gekostet." "Es ist ne Menge", wiederholte Michael. Marian starrte auf das Tourposter. Er dachte an gefüllte Arenen, Reisen in weit entfernte Länder. TV-Auftritte, das viele Geld, das sie verdienen würden, brausenden Applaus und das er niemals wieder... Er ging in die Küche. Dort stand eine brennende Kerze auf dem Tisch. Daneben, im Kerzenschein schimmernd, lagen 3 winzig silberne Päckchen und ein Teelöffel. Auf dem Boden lag eine benutzte Spritze. Ein dünner Streifen Blut rann von der Spitze der Nadel den ganzen Weg zum Rand des Einstichlochs und formte einen roten Haarlinienkreis darum.

Er nahm einen der Schutzumschläge. Dab-dab-dabba.da-dab... Good-bye Eiscreme-Mädchen...

Translation: A. Wesche